Smart-Farming-Technologien aus Rostock
Fraunhofer-Institute der Initiative „Biogene Wertschöpfung und Smart Farming“ entwickeln digitale Systeme und Technologien wie Pflanzroboter, automatische Schädlingserkennung und Live-Frostwarnungen, die beim Erdbeeranbau zum Einsatz kommen.
Der Obst- und Gartenanbau ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für den ländlichen Raum. Allerdings stehen die Akteure aufgrund der wachsenden Anforderungen an Umweltschutz, Lebensmittelqualität und Nachhaltigkeit bei gleichzeitig begrenzten Landflächen, fossilen Ressourcen und vor allem dem Fachkräftemangel immer größeren Herausforderungen gegenüber. Fraunhofer möchte diesen Herausforderungen mit der Entwicklung von Smart-Farming-Technologien begegnen. Damit ist der Einsatz digitaler Lösungen und automatisierter Prozesse in der Landwirtschaft gemeint, bei denen beispielsweise Sensoren oder autonome Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Karls ist einer der größten Obstbauern in Mecklenburg-Vorpommern und ein wichtiger Arbeitgeber der Region. Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD und das Fraunhofer-Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP entwickeln in Kooperation mit Karls verschiedene Smart-Farming-Technologien, um den Erdbeeranbau in der Region auch für die nächsten Jahre abzusichern. Die Prototypen der Entwicklungen kommen bereits bei der diesjährigen Erdbeer-Saison zum Einsatz. „Wir forschen bei Fraunhofer praxisorientiert, also immer an den ganz konkreten Bedarfen derjenigen ausgerichtet, die später mit unseren Entwicklungen arbeiten. Für uns spielen sowohl der konkrete Input unserer Praxispartner als auch die Frage, wie wir die Erkenntnisse aus der Wissenschaft sinnvoll in die Praxis überführen, eine große Rolle“, erläutert Dr. Philipp Wree, Abteilungsleiter am Fraunhofer IGD. Die am Beispiel der Erdbeerpflanzung entwickelten und erprobten Technologien können auch in weiteren Obst- und Gartenbaubetrieben oder anderen landwirtschaftlichen Bereichen gewinnbringend zum Einsatz kommen.
Smarte Technik für die Erdbeere: vom Frigo-Setzling bis zur Freiland-Beere
Das Ausbringen der Frigo-Setzlinge, also der gefrorenen Jungpflanzen mit Wurzelballen, ist bis dato eine rein händische Aufgabe: Loch graben, Pflanze einsetzen, Erde andrücken. In dieser Saison unterstütze bereits ein erster Prototyp des Fraunhofer IGP bei der Bepflanzung eines kompletten Folienzeltes: mit Substrat befüllte Pflanzkästen wurden unter die Arbeitsstation geschoben, acht Bohrspiralen hoben die Löcher aus. Die Setzlinge mussten zwar von Hand eingesetzt werden, durch die spezielle Form der Bohrer entfiel allerdings das manuelle Andrücken der Erde. Damit konnte die Pflanzzeit bereits in diesem ersten Entwicklungsstadium um die Hälfte verringert werden. Neben der enormen Zeitersparnis gehört auch die Qualitätssteigerung zu den Vorteilen des automatisierten Prozesses, welche durch identische Abstände zwischen den Pflanzen, einheitliche Tiefen und eine gleichmäßige Substratdichte erzielt wird. Perspektivisch soll der Pflanzroboter alle Arbeitsschritte übernehmen, die sonst von Hand bei der Pflanzung der Erdbeersetzlinge im Stellagenanbau anfallen.
Sind die Setzlinge erst einmal im Folientunnel angekommen, geht es darum, diese kontinuierlich auf Schädlinge oder Erkrankungen hin zu überprüfen. Dabei kommen die Messtechnik des Fraunhofer IGP sowie die Expertise im Visual Computing des Fraunhofer IGD zum Einsatz, also der bildbasierten Informatik. Eine KI-basierte Software erkennt auf Bildern von speziellen Multi- und Hyperspektralkameras erste Symptome von Pilzerkrankungen wie Phytophthora und Mehltau oder Schäden durch Raupenfraß noch bevor diese für das menschliche Auge sichtbar sind. So können infizierte Pflanzen behandelt werden, bevor es zu einer flächendeckenden Ausbreitung kommt.
Wird die Erdbeere ins Freiland gepflanzt, ist sie den Witterungsbedingungen ungeschützt ausgesetzt. Je größer die bewirtschaftete Fläche, umso schwieriger ist es für die Betreiber, diese zu überwachen und teilflächenspezifische Maßnahmen wie eine Bewässerung oder Düngung einzuleiten. Das Fraunhofer IGD erprobt derzeit auf den Flächen von Karls zusammen mit dem Start-up Agvolution ein großflächiges Sensornetzwerk zur Erfassung von Boden- und Luftparametern auf Basis der Mioty®-Funktechnologie. Mioty® wurde vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS ursprünglich für den Einsatz in industriellen Infrastrukturen entwickelt und ermöglicht eine Datenübertragung über mehrere Kilometer bei nur sehr geringem Energieaufwand. In der Landwirtschaft kann sie somit zur weiträumigen Erfassung des Mikroklimas zum Einsatz kommen. Ein konkretes Anwendungsszenario basierend auf dieser Technologie wäre beispielsweise eine Frostwarnung in Echtzeit.
„Die Zusammenarbeit zwischen Karls und den Fraunhofer Instituten IGD und IGP trägt in unserem Falle im wahrsten Sinne des Wortes Früchte“, so Thomas Hahmann, Projektleiter bei Karls Erdbeerhof. „Innovationsgeist, Flexibilität und die Schnelligkeit beim Umsetzen neuer Ideen und Lösungsansätze sind herausragende Merkmale, die diese Partnerschaft prägen. Die sinnvolle Verknüpfung von Theorie und Praxis sind hier besonders hervorzuheben.“
Geballte Expertise: Vernetzung im Land und bundesweit
Die Forscherteams arbeiten eng mit Landwirtinnen und Landwirten in Mecklenburg-Vorpommern zusammen, deren Ideen und Feedback wertvollen Input für weitere Entwicklungen liefern. Fraunhofer ist Teil einer sehr starken Infrastruktur im Bereich der Agrarforschung. Dazu gehören die agrarwissenschaftliche Fakultät der Universität Rostock, die Universität Greifswald, die sich viel mit dem Thema Moore und Moorschutz beschäftigt, das Forschungsinstitut für Nutztierbiologie in Dummerstorf, die Versuchsgüter in Tellow und Dummerstorf, das Julius Kühn-Institut für Kulturpflanzen, die Hochschulen Neubrandenburg und Stralsund sowie die Landesversuchsanstalten. Fraunhofer ist mit allen Akteuren vernetzt und versucht, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Kombination mit den Ansprüchen und Rückmeldungen aus der Praxis in nutzbringende Lösungen zu übersetzen.
Die beiden Rostocker Institute Fraunhofer IGP und Fraunhofer IGD sind Teil der übergeordneten Fraunhofer-Initiative für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming. Im Verbund mit drei Fraunhofer-Instituten aus Bayern arbeiten die Forscherteams an anwendungsorientierter Forschung in allen Bereichen der Ernährungs- und Landwirtschaft wie Pflanzenbau, Tierhaltung oder der Nutzung von Moorflächen. Die interdisziplinären Teams bringen eine umfassende Expertise aus den Bereichen Robotik und Automatisierung, Sensorik, Analytik und Aktorik, KI und Big Data sowie Konstruktion, Produktion und Verfahrenstechnik ein. Ihr Ziel ist die Entwicklung neuer Technologien für eine nachhaltige Erzeugung und Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte: vom Saatgut bis zum veredelten Produkt. Mit hochindividualisierten, automatisierten und nachhaltigen Technologien leistet die Initiative einen Beitrag zur langfristigen Sicherung und Zukunftsfähigkeit der regionalen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Der Finanzbedarf für die Initiative wird mit 40 Mio. Euro vom Bundesforschungsministerium und jeweils 20 Mio. Euro von den Wissenschaftsministerien der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Bayern getragen.
Weiterführende Informationen:
Mehr über die Fraunhofer-Initiative Biogene Wertschöpfung und Smart Farming: https://www.fraunhofer.de/de/forschung/fraunhofer-strategische-forschungsfelder/biooekonomie/biogene-wertschoepfung-und-smart-farming.html
Mehr über die Forschungsarbeit im Bereich Smart Farming am Fraunhofer IGD: https://www.igd.fraunhofer.de/de/branchen/biooekonomie-und-infrastruktur/biogene-wertschoepfung-und-smart-farming.html
Mehr über die Forschungsarbeit im Bereich Smart Farming am Fraunhofer IGP: https://www.igp.fraunhofer.de/de/kompetenzfelder/automatisierung/biogene-wertschoepfung-und-smart-farming.html
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Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD
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Über das Fraunhofer IGD:
Seit 1987 setzt das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD internationale Standards für angewandte Forschung im Visual Computing, der bild- und modellbasierten Informatik. Wir verwandeln Informationen in Bilder und Bilder in Informationen und unterstützen Industrie und Wirtschaft dabei, sich strategisch zu entwickeln. Stichworte sind Mensch-Maschine-Interaktion, Virtual und Augmented Reality, Künstliche Intelligenz, interaktive Simulation, Modellbildung sowie 3D-Druck und 3D-Scanning. Rund 190 Forscherinnen und Forscher generieren an den drei Standorten Darmstadt, Rostock und Kiel neue technologische Anwendungslösungen und Prototypen für die Industrie 4.0, das digitale Gesundheitswesen und die „Smart City“. Internationale Relevanz entfalten unsere Produkte durch die Zusammenarbeit mit dem Schwesterinstitut in Graz und Klagenfurt. Mithilfe unserer Matrixorganisation bedienen wir unsere Kundschaft aus den unterschiedlichsten Branchen mit relevanten technischen und wettbewerbsorientierten Leistungen. Hierfür haben wir branchenerfahrene, crossfunktionale Teams aus Expertinnen und Experten, die auch Planung, Leitung und Evaluation für alle Projektgrößen übernehmen.
Über das Fraunhofer IGP:
Wie sieht innovative Produktion von Großstrukturen in der Zukunft aus? Dazu forscht das Fraunhofer-Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP in Rostock. Im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten realisiert das Fraunhofer IGP gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Industrie Konzepte für Produkt- und Prozessinnovationen. Der Forschungsfokus liegt auf Zukunftsbranchen wie Schiff- und Stahlbau, Energie- und Umwelttechnik, Schienen- und Nutzfahrzeugbau sowie Maschinen- und Anlagenbau. Die ehemals eigenständige Einrichtung wurde Anfang 2020 zu einem Fraunhofer-Institut überführt und ist damit das erste Institut der Fraunhofer-Gesellschaft mit Hauptsitz in Mecklenburg-Vorpommern.
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